Die Werkerausbildung im Gartenbau bietet jungen Menschen mit Unterstützungsbedarf eine wertvolle Einstiegsmöglichkeit in die Berufswelt – und Betrieben die Möglichkeit, engagierte Nachwuchskräfte zu gewinnen. Im Interview mit Dominik Unkel, Gartenbaumeister und Ausbilder, sowie Vera Janshen-Budzinski vom Betrieb Gartenbau Janshen sprechen Marcus Trappe von Agrobusiness Niederrhein und Lutz Fischer vom Landesverband Gartenbau NRW über Chancen, Herausforderungen und persönliche Entwicklungen. Eine Geschichte, die Mut macht – und zeigt, wie praxisnahe Ausbildung Leben verändern kann.
Text: Agrobusiness Niederrhein
Trappe: Dominik, lass uns mal zum Anfang Deiner Geschichte zurückreisen.
Wie war das damals – wie bist Du zu Gartenbau Janshen gekommen?
Unkel: Das war im Jahr 2010, da war ich in der 9. Klasse. Das war ein Jahrespraktikum, in dem es in der Woche für zwei Tage in den Betrieb und drei Tage zur Schule ging.
Trappe: Das Praktikum lief über Deine Schule – gab es noch andere Möglichkeiten als den Gartenbau?
Unkel: Ja genau – das lief über die Förderschule. Durch die Hilfe meines damaligen Lehrers bin ich hier zu Gartenbau Janshen gekommen. Den Gartenbau habe ich bereits vorher kennengelernt. Ich musste nicht weiter nach einem anderen Beruf suchen.
Fischer: War bereits während des Praktikums für Dich klar, dass Du Gärtner werden möchtest? Oder kam der Gedanke erst zum Ende des Praktikums?
Unkel: Die Arbeit draußen in der Natur und der Umgang mit Pflanzen hat mir bereits zu Beginn viel Freude bereitet. Da war für mich schnell klar, dass ich Gärtner werden möchte.
Trappe: Dann kam der Start in die Ausbildung zum Werker. Über welche Maßnahme von welchem Bildungsträger ging das?
Unkel: Das ging in meinem Fall direkt durch den Übergang von der Förderschule in den Betrieb, da ich nur den Abschluss nach Klasse 9 hatte. Aufgrund meiner damaligen Lern- und Schreibschwäche konnte ich die Werkerausbildung starten.
Fischer: Vera, kannst Du Dich noch an das Kennenlernen mit Dominik erinnern?
Wie kam der „Start“ zustande?
Janshen: Das waren zunächst noch meine Eltern, Lambert und Hanni Janshen. Beide sind Meister im Gartenbau, meine Mutter hat sogar die Zusatzqualifikation, um junge Menschen mit Förderbedarf ausbilden zu können. Ohne diese Qualifikation muss die Werkerausbildung in Kooperation mit einem Bildungsträger erfolgen.
Trappe: Vera, war für Dich während des Praktikums schon klar, dass Ihr Dominik ausbilden wollt?
Janshen: Es gab zunächst eine Findungsphase, in der erstmal etwas von Dominik kommen musste. Beide Seiten mussten zunächst eine gewisse Beständigkeit entwickeln. Im Jahrespraktikum konnte er sich beweisen und zum Ende war es klar, dass wir ihn ausbilden werden.
Trappe: Wie habt Ihr von dieser Möglichkeit der Werkerausbildung erfahren?
Janshen: Vom Lehrer, der Dominik ins Praktikum vermittelt hat.
Trappe: Bei der Werkerausbildung in Kooperation leistet der Bildungsträger eine pädagogische und theoretische Unterstützung. Wer hat Euch unterstützt?
Janshen: Der Lehrer hat uns damals unterstützt und Mitte des zweiten Lehrjahres hat Dominik den Stützunterricht eines Bildungsträgers in Anspruch genommen.
Fischer: Wo war die Berufsschule, wie groß war die Klasse und wie lange ging die Ausbildung?
Unkel: Wir waren mit 12 Auszubildenden in einer Klasse am Berufskolleg in Kleve. Die Ausbildung zum Werker im Gartenbau geht drei Jahre und führt übrigens zum Hauptschulabschluss 10a.
Fischer: Du hast ja die Vollausbildung drangehangen. Kannst du wesentliche Unterschiede von der Werker- zur Vollausbildung nennen?
Unkel: Bei der Werkerausbildung hat man mehr Zeit für das Praktische, man kann mehr ausarbeiten und der Lerndruck ist nicht so hoch. Andererseits fand ich persönlich das Lernen in der Vollausbildung „schöner“. Es war fokussierter und strukturierter.
Trappe: Vera, seit wann ist Dominik jetzt bei Euch?
Unkel antwortet: Das war der 22.09.2010 – das weiß ich genau – ein Tag nach meinem Geburtstag.
Trappe: Wenn Du zurückblickst, hättest Du gedacht, dass aus dem Jahrespraktikant ein Gartenbaumeister und Ausbilder wird?
Janshen: Nein, natürlich nicht. Aber die Entwicklung der letzten Jahre zu sehen und wie sich alles gefestigt hat – das ist etwas ganz Besonderes. Das Gefühl der Sicherheit ist mit der Zeit gekommen und die Praxiszeit war dabei sehr förderlich.
Trappe: Welche Probleme gab es während der Ausbildungszeit?
Unkel: Ich war früher viel zurückhaltender und mein Auftreten war nicht sehr sicher. Das hat sich geändert.
Fischer: Zu dieser Erfolgsstory gibt es doch bestimmt ein paar Hürden, die gemeistert werden mussten.
Janshen: Eine Herausforderung war sicherlich das Team mitzunehmen und klar zu machen, dass da jemand ist, der mehr Unterstützung benötigt. Das Team hat es verstanden und wir sind sehr stolz darauf.
Unkel: Ein Azubi aus dem dritten Lehrjahr hat mir ebenfalls sehr geholfen, in dem er sich Zeit genommen hat, mir die Praxis intensiver zu vermitteln.
Fischer: Du bist mit den Jahren persönlich gewachsen. Du warst damals 16. Dein Leben war anders. Was war es, dass Dich in Anführungsstrichen theoretisch gehemmt hat.
Unkel: Das war die Schreibschwäche. Aber hier bekam ich ebenfalls Hilfe. Die Lehrerin des Stützunterrichts kam aus der Praxis. Das war sehr wertvoll für den Stützunterricht, den ich mittwochs von 18:00 bis 20:00 Uhr besucht habe.
Trappe: Apropos „Erfolgsstory“ – Dein beruflicher Werdegang ist ja nun mal solch eine Story. Kannst Du Dir vorstellen, dass diese Geschichte anderen jungen Menschen Mut macht?
Unkel: Ja, das ist der Grund dafür, dass ich dieses Interview gebe. Mut machen, dass andere auch eine Werkerausbildung beginnnen. Nach meiner Vollausbildung habe ich bereits in meiner alten Schule den Beruf des Gärtners vorgestellt.
Trappe: Ich habe Dich auf einer Ausbildungsmesse mit Schülerinnen und Schülern sprechen sehen. Was macht den Gärtnerberuf für Dich aus? Was erzählst Du den potenziellen Nachwuchskräften?
Unkel: Ich erzähle, dass es ein praxisorientierter und abwechslungsreicher Beruf in und an der Natur ist. Ich habe von meinem Lebenslauf erzählt und darüber berichtet, dass ein Einstieg in den Gartenbau sogar mit niedrigerem Abschluss möglich ist.
Trappe: Was würdest Du einem jungen Menschen mit auf den Weg geben wollen? Was würdest Du ihm raten?
Unkel: Mach was Dir liegt! Probier aus und sei neugierig!
Janshen: Wichtig ist auch – sich selbst nicht kleiner zu machen als man ist.
Fischer: Zu dieser Erfolgsstory gehören zwei Seiten. Ihr als Ausbildungsbetrieb habt einen sehr großen Anteil am Werdegang.
Janshen: Es geht sich ja nicht nur um das Berufliche, sondern um ganz viel Zwischenmenschliches. Man hat als Betrieb einen Mehraufwand – was man zurückbekommt, ist enorm.
Fischer: Wie war das nach den vier Gesellenjahren. Wer kam auf die Idee noch den Gartenbaumeister dranzuhängen?
Unkel: Das kam in einem persönlichen Gespräch mit Lambert Janshen. Ich hatte bereits nach drei Jahren den Wunsch, den Meister zu machen. Der Seniorchef wusste aber, dass es für mich mehr Sinn machen würde, noch ein Jahr zu warten. Das war ein guter Rat und eine gute Entscheidung – so konnte ich noch mehr Praxiserfahrung sammeln.
Fischer: Kann man sagen – ihr habt Zeit investiert, die sich jetzt rentiert?
Janshen: Auf jeden Fall – für beide Seiten. Dabei die persönliche Entwicklung mit zu erleben macht zusätzlich Spaß.
Trappe: Du hast jetzt selber einen Auszubildenden unter Deiner Verantwortung. Wie läuft es? Wer ist dieser junge Mensch?
Unkel: Jetzt habe ich sogar zwei junge Menschen in Vollausbildung. Davor hatte ich als Meister bereits Jason in der Werkerausbildung. Wie es läuft? Es macht viel Spaß und auch mir bereitet es große Freude, die Entwicklung der Menschen miterleben zu dürfen.
Trappe: Als Projektkoordinator im deutsch-niederländischen Interreg-Projekt „Agropole Innovates“ bin ich auch für das Thema Fachkräftegewinnung zuständig. Die Ausbildung zum Werker ist dabei ein wichtiger Baustein. Wir bedanken uns für das persönliche und informative Gespräch. Eine Frage habe ich noch: Vera – was ist Dein Fazit?
Janshen: Als Betrieb muss man etwas Geduld und Verständnis mitbringen und dabei dem Auszubildenden Sicherheit geben. Die Zeit ist beruflich und menschlich sehr bereichernd. Wir würden es jederzeit wieder tun – ganz sicher.